Kurz vor der Bundestagswahl 2021 wollte ich’s wissen: Kommt Sport in den Wahlprogrammen überhaupt vor? Und falls ja, bildet er einen eigenen Programmpunkt, oder rangiert er eher unter "ferner liefen"? Welche Bedeutung wird ihm zugeschrieben? Schlagen die Wahlprogramme mit Blick auf Sport konkrete Maßnahmen vor, oder bleibt es bei Absichtserklärungen?
Damit möchte ich Ihnen nicht nahelegen, welche Partei Sie wählen sollen. In diesem Artikel finden Sie vielmehr einen groben Überblick, welche der gegenwärtig im Bundestag vertretenen Parteien welche Punkte aufgenommen und wie gewichtet hat. Für den Fall, dass Sie genauer nachlesen möchten, nenne ich Ihnen die jeweiligen Seiten in den Wahlprogrammen.
Was bewegt die Parteien, und was wollen die Parteien bewegen?
Der Sport findet statt - fast überall. Bei CDU/CSU muss man sich bis zum letzten Punkt des Wahlprogramms gedulden (Seite 138f.), bei der SPD zwischen den Zeilen anderer Sachthemen lesen (Seite 41, 47f.). BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Seite 209ff.), DIE LINKE (131) und die FDP (54f.) haben das Thema prominenter platziert. Lediglich im Wahlprogramm der AfD taucht Sport weder in den thematischen Kapiteln noch im Begriffs-Index auf.
Zunächst einmal eint der Sport!
Die zentrale Bedeutung des Sports für das Zusammenleben in der Gesellschaft und die Teilhabe an der Gemeinschaft wird von allen fünf Fraktionen beschrieben, die das Thema aufgenommen haben. Dies gilt insbesondere für die Wertevermittlung in den Bereichen Bildung, Toleranz, Inklusion und Integration. Auch die Rolle des Ehrenamtes im Sport sowie die Bedeutung des Themas für eine lebendige Zivilgesellschaft werden ausgeführt.
Die beiden Parteien der regierenden Großen Koalition sprechen häufig von „unterstützen“, „ausbauen“ und „stärken“, wenn es um den Sport geht. Die CDU/CSU listet dabei viele wichtige Themen in einigen knappen Aufzählungspunkten zum Abschluss ihres Wahlprogramms auf. Die SPD nimmt Sport nicht als eigenes Thema, sondern in Einzelaspekten unter Oberthemen wie „Gut aufwachsen“, „Demokratie fördern“ oder „Kultur fördern“ auf - das macht es nicht immer leicht, eine klare Linie zum Thema Sport zu identifizieren.
Die Kleinen scheinen beweglicher zu sein…
Im Vergleich räumen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Sport den größten Raum ein und formulieren die konkretesten Maßnahmenvorschläge. Das Programm fokussiert auf die Bereiche Diversität und Teilhabe von Frauen, auf den Sportstättenbau, insbesondere auf strukturschwache Regionen in Ostdeutschland sowie auf ein notwendiges Zusammenspiel von Breiten- und Spitzensport. Doping-Prävention und Anti-Doping-Kampf werden ebenso behandelt wie sozialpädagogische Projekte in der Gewalt- und Extremismus-Prävention. Im Zusammenhang mit gesundheitlicher Vorsorge wird auch auf die Bedeutung von öffentlich zugänglichen Bewegungsräumen für alle Menschen hingewiesen.
DIE LINKE bespielt die Themen in der Breite ähnlich wie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, geht aber weniger ins Detail. Einen besonderen Fokus legt DIE LINKE auf die Zugangsbedingungen. Sport sei kein Luxus, der Zugang zu Sportangeboten dürfe entsprechend nicht von Einkommen oder sozialem Status abhängen.
Die FDP betont die Möglichkeit nachhaltiger Wertevermittlung im und durch den Sport. Dies gelte es zu unterstützen. Einen besonderen Schwerpunkt setzt die FDP bei der Doping-Bekämpfung. In diesem Zusammenhang fordert sie eine Regelung zum Schutz von Kronzeuginnen und Whistleblowern.
… und E-Sport gibt‘s (fast) überall
Der E-Sport und die Games-Branche tauchen bei vier der fünf Fraktionen auf. Die CDU/CSU will diese junge Entwicklung im Sport unterstützen. SPD und FDP wollen E-Sport als gemeinnützig anerkennen, und betonen dessen Bedeutung für Innovation, Digitalisierung und Wirtschaft. Die FDP sieht zudem mögliche positive Effekte für die Bereiche Prävention und Gesundheit. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN teilen diese Einschätzungen, und weisen darüber hinaus auf eine potenzielle Nachwuchsgewinnung für die Kreativ- und IT-Wirtschaft hin. Auch in Bezug auf Jugendschutz und Medienkompetenz könne hier gemeinsam gegen Diskriminierung und Hatespeech vorgegangen werden.
Der Bewegungsraum Wasser
Dieses Thema hat mich persönlich besonders interessiert. Zum einen ist der leistungsbezogene Schwimmsport Teil meiner Bewegungsbiografie, zum anderen bietet Wasser als Bewegungsraum besonders viele Möglichkeiten für Prävention und Rehabilitation im Gesundheitssport.
CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE wollen den Sanierungsstau bei kommunalen und vereinseigenen Schwimmbädern abbauen: Mit Blick auf Energieeffizienz, Barrierefreiheit und Digitalisierung gibt es hier viel zu tun. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE betonen, dass alle Kinder die Möglichkeit haben müssen, schwimmen zu lernen. DIE LINKE fordert zudem, dass die Eintrittspreise für Schwimmbäder für alle Menschen erschwinglich sein müssen.
Und nun haben Sie die Wahl!
Im Ergebnis zeigt sich, dass der Sport und seine Strukturen in den Programmen der Parteien durchaus eine Rolle spielen. Wenn wir die gesellschaftliche Bedeutung zum Maßstab nehmen, die dem Sport von den Parteien einhellig zugeschrieben wird, dann dürfte er in den Wahlprogrammen auch eine etwas größere und konkretere Rolle spielen. Es wäre schön, wenn sich im Bereich Sport nach der Wahl politisch mehr bewegen würde.
Aber erstmal sind Sie dran. Demokratie lebt von Teilhabe: Bewegen Sie sich, und gehen Sie wählen! Zu Fuß, mit dem Rad oder auf dem Skateboard – Hauptsache, Sie machen mit.
Dem Text liegen die Wahlprogramme der behandelten Parteien auf der Plattform www.abgeordnetenwatch.de am 17.09.2021 zugrunde.
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